Wo ist denn da der Holzwurm?

Als ich letztens im Unverpackt Laden einkaufen war, fiel mein Blick auf ein paar Handtücher. Nachdem mein Blick darauf gefallen war, fiel auch meine Hand darauf und das war GUT! Denn die Handtücher waren sowas von weich und kuschelig, dass ich sie am liebsten als Kuscheldecke mitgenommen hätte. Leider brauchte ich zu dieser Zeit weder eine neue Kuscheldecke, noch neue Handtücher-was heißt leider?-ist ja eigentlich gut, aber hier hätte ich gerne einen Grund gehabt, die Handtücher zu kaufen.

Ich hab mir dann aber trotzdem noch angeschaut, was die Handtücher so besonders macht, dass sie im Unverpackt Laden angeboten werden. Und siehe da: sie waren aus Holz!

Aus Holz? Wie kann denn ein Handtuch hauptsächlich aus Holz (um die 50 %Holzfaserb) und so kuschelig sein?

Ich war echt verblüfft und beeindruckt.

Gekauft habe ich sie wie gesagt nicht, aber die Geschichte geht noch weiter.

Die Idee zu wijld hatte Timo. Die erste Umsetzung davon, entstand in einem Dreierteam. Angelo, Aline und Timo, die sich darum bemühten nachhaltige Kleidung zu entwickeln. Dazu starteten sie eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne (https://www.kickstarter.com). Kickstarter ist eine Möglichkeit, sich von vielen unabhängigen Menschen finanzieren zu lassen, indem man eine Kampagne startet, in der man gut erklärt, welches Produkt man wie auf den Markt bringen möchte. Als Unterstützer kann man aus verschiedenen bundles wählen, die man bei erfolgreicher Finanzierung zugeschickt bekommt. Von den dreien übrig Gründer*innen ist Timo geblieben. Timo ist zunächst einmal nicht vom Fach: er hat weder Textildesign studiert, noch eine Schneiderlehre oder Vergleichbares gemacht. Er wollte einfach, dass sich Menschen nicht mehr ausschließlich von großen Firmen einkleiden lassen müssen, denen die Umwelt und die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung ihrer Produkte vollkommen gleichgültig sind, solange der Profit stimmt. Um das wichtigste Knowhow und alles was bis zum fertigen T-Shirt wichtig ist, zu erlernen, haben die drei Gründer*innen ein Jahr recherchiert, Gespräche geführt und genetzwerkelt, Schnitte und Materialien geprüft, Produktionsstätten besucht und sich dann entschieden, auf Holzfasern zu setzen. Eine echte Pionierarbeit.

Einen Monat später brauchte ich dringend ein neues T-Shirt. Und da hab ich dann recherchiert, weil dieses T-Shirt genauso kuschelig wie die besagten Handtücher sein sollte und ich unbedingt mehr über Stoff aus Holz erfahren wollte.

Ich wurde fündig bei der Firma wijld, kaufte mir ein T-Shirt, bekam einen Hoodie zu Weihnachten geschenkt und war  und bin sehr glücklich mit meinen Holzklamotten. Sie sind sehr weich, halten warm, aber nicht zu warm und trocknen nach dem Waschen schnell. Und weil mich das so begeistert hat, habe ich mir Timo von der Firma wijld geschnappt und ihm ein paar Löcher in den Bauch gefragt. (Nein, ich habe keinen Werbevertrag mit wijld).

Mich hat nämlich brennend interessiert, wie man eine solche Idee und auch eine große Vision, zum Beispiel Klamotten aus Holz herzustellen, umsetzen kann.Welche Ideologie steckt dahinter, welche Hindernisse stellen sich in den Weg, was macht Spaß daran und vieles mehr.

Timo ist der Captain von wijld (man kann auch schnöde Geschäftsführer sagen) und hat sich trotz seines hohen Arbeitsaufkommens Zeit genommen, mit mir zu telefonieren. 

Aber auch jetzt, nachdem wir bei wijld einkaufen können, gibt es immer wieder Hürden zu überwinden. Die Stoffe werden regelmäßig überprüft. Allein das Waschen der Kleidung (was notwendig ist, um zu erfahren, wie sich der Stoff nach der hundertsten Wäsche verhält) benötigt enorm viel Zeit. Im Augenblick wartet Timo auf die bereits im Shop angekündigten Longsleeves- die Druckerei ist in Verzug.

Was ist besser an der Holzfaser als an gebräuchlicher Baumwolle?

Ein ganz wichtiger Aspekt ist der Wasserverbrauch. Baumwolle muss gewässert werden und zwar nicht zu knapp. Eine Baumwollpflanze benötigt ca.5,69 m3 Wasser. Dieses Wasser stammt zu 70% aus Grundwasser und zu 30% aus Oberflächenwasser. Anders die Holzfaser, die praktisch nicht gewässert werden muss (so lange es ausreichend regnet, was voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten problematisch werden könnte). In der Holzfaserprodution wird ansonsten Kühlwasser benötigt (Baumwolle braucht das ebenfalls). Dieses Wasser wird aber, da es in keinster Weise verunreinigt wurde, wieder direkt dem Oberflächenwasser zugeführt.

Alles Holz, was zur Herstellung der Kleidung benötigt wird, kommt bei wijld aus zertifiziert nachhaltiger Forstwirtschaft. Wenn Baumwolle mit im Stoff verarbeitet wurde, ist es Bio-Baumwolle, die ebenfalls zertifiziert ist. Manchmal kommt auch recyceltes Plastik zum Einsatz, so zum Beispiel bei den Sportklamotten. Die Kleidung wird in Portugal unter fairen Bedingungen hergestellt.

Ein weiterer Aspekt, der wijld so besonders macht, ist, dass vom ersten Tag an versucht wurde, die Holzressourcen, die zur Herstellung der Kleidung benutzt wurden, auch wieder zu regenerieren. Bedeutet: Für jede Bestellung, die du bei wijld machst, wird ein Baum gepflanzt. Gepflanzt wurde bis vor Kurzem in Mexiko. Und das klingt erstmal nach: Wie soll man denn so weit entfernt prüfen, ob wirklich Bäume gepflanzt werden? Und: Was habe ich denn davon, wenn ein Baum in Mexiko gepflanzt wird (jeder Baum mehr ist besser als keiner. Denn wo ein Baum wächst, ist dem Klima egal). Auch wenn Timo sagt, dass es ein vertrauenswürdiger Partner war, der für die Pflanzaktion zuständig war, ist wijld jetzt dabei umzusatteln. Die Planung ist, ein Waldstück im Sauerland zu kaufen, das unter anderem durch den Klimawandel stark gelitten hat und dieses wieder aufzuforsten. Möglicherweise kann dort auch umweltpädagogisch gearbeitet werden. Das kann zum Beispiel in Form von Führungen von Schulklassen durch die zuständige Försterin geschehen. Er wünscht sich, ein Bewusstsein für unsere Umwelt und die Ressourcen, die wir daraus entnehmen, zu schaffen.

Das alles müsste er nicht tun! Aber er tut es und versucht, nicht nur sein eigenes Überleben zu sichern, sondern dabei auch aktiv für Umwelt und Nachhaltigkeit einzutreten (wijld war Gewinner des deutschen Nachhaltigkeitspreises start ups 2017).

Am Ende des Gespräches hat Timo noch folgendes angemerkt:

Er würde sich zwar wünschen, dass viele Menschen seine Kleidung kaufen (was auch geschieht-wijld feiert im Dezember sein 5-jähriges Bestehen). Aber das sollten sie nur tun, wenn sie wirklich neue Kleidung brauchen. Für ihn ergibt es keinen Sinn, auf Nachhaltigkeit „umzusatteln“ und zunächst einmal alles aus dem Haushalt rauszuwerfen, einschließlich Kleidung, was nicht nachhaltig genug erscheint. Hier laufen wir wieder in eine Konsumfalle! Erstmal auftragen, was noch da ist und dann die „richtige“ Wahl treffen. Das ist die Devise.

Fazit: Das Interview war sehr informativ und hat gezeigt, dass es möglich ist, unsere Welt zu verändern. Denn das versucht Timo mit seiner Firma. Es ist ein hartes Stück Arbeit, aber es ist möglich. Wie meistens möchte ich mich selbst und dich ermuntern, mutig zu sein. Die Angst vor Klimaveränderungen, vor politischen Falschentscheidungen oder unfairen Lebensbedingungen auf der Welt müssen nicht dazu führen, dass wir wie gelähmt dastehen. Also Ärmel hochgekrempelt, Träume ausgegraben und LOS!

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