Gutes Gemüse für alle – Lüneburgs Solawi-Genossenschaft, der „WirGarten“

„Hallo, ich bin neu hier und brauch nochmal kurz Hilfe“, sage ich zu der jungen Frau, die mir lächelnd vom Feld entgegenkommt. Sie begleitet mich in den Lagerraum, in dem in Regalen viele Kisten voller Gemüse sowie zwei Waagen mit Metallschalen auf einem langen Tisch stehen.

Ich habe gerade eine Mitgliedschaft für den „WirGarten“ (https://lueneburg.wirgarten.com) abgeschlossen und darf heute zum ersten Mal meinen Ernteanteil abholen. „Oh, mir fällt gerade ein: Muss ich eigentlich irgendwas vorzeigen? Mitgliedsausweis oder so? Ich hab gar nichts dabei.“ Die Frau lacht: „Nee, da vertrauen wir euch.“ Sie zeigt mir eine Liste, auf der steht, welches Gemüse diese Woche geerntet wurde und wie viel ich davon mitnehmen darf. Je nach Ernteanteil ist das unterschiedlich. Ich hab erstmal mit dem kleinsten Anteil angefangen und finde, dass ich dafür eine ganze Menge leckere Sachen bekomme: heute Salat, Spinat, Radieschen, Kartoffeln, Möhren und Pak Choi. Ich wiege alles selbst ab und fülle es dann in meine mitgebrachten Beutel. Was ich nicht mag, kann ich in die Tausch/Schenkkiste legen – das hier will ich aber alles behalten.

Der WirGarten ist eine sogenannte Solawi-Genossenschaft. Die Solidarische Landwirtschaft ist eine weltweit erprobte und zukunftsweisende Strategie für eine verantwortungsvolle Landwirtschaft. Dabei tun sich Landwirt*innen mit einer Gruppe von Haushalten zusammen: Sie finanzieren einen Betrieb verbindlich für ein Jahr und bekommen dafür ihren Anteil an der Ernte. Dadurch haben die Landwirt*innen Planungssicherheit. Sie müssen sich nicht nach den Marktpreisen richten und können stärker auf ökologische Nachhaltigkeit achten.

Die Menschen, die an der Solidarischen Landwirtschaft teilnehmen, erleben ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Die Projekte sind auf Gemeinwohl ausgerichtet, nicht auf Wirtschaftswachstum. Es geht darum, soziale Beziehungen zu gestalten und dadurch eine nachhaltige und faire Ressourcennutzung zu ermöglichen. Alles wird geteilt und es muss nichts weggeworfen werden. Von guter Ernte profitieren alle, die Last von schlechten Ernten tragen ebenso alle mit.

Hier findest du mehr dazu:

https://solawi-genossenschaften.net/

In der Tat habe ich, während ich da vor dem vielem frischen Gemüse stehe, sofort das Gefühl, zu einer großartigen und zukunftsweisenden Sache beizutragen. Es ist schön, jede Woche donnerstags durch den Wald zu einem Feld zu radeln, von dem ein Teil nun auch mir gehört und für das ich mich deshalb gleich auch mit verantwortlich fühle, als Teil einer Gemeinschaft eben, die nur funktioniert, wenn sich alle solidarisch verhalten. Deshalb guckt hier auch niemand, wie viel Gemüse ich mitnehme oder prüft, ob ich auch wirklich Mitglied bin – außerdem kann ich selbst entscheiden, wie viel Genossenschaftsanteile ich kaufe und wie viel ich für meinen Ernteanteil bezahlen kann oder möchte. Es gibt Anteile in den Größen S (ca. 2 kg pro Woche) bis XL (ca. 5 kg pro Woche), S kostet z.B. zwischen 38 und 52 EUR im Monat, auch eine Probemitgliedschaft ist möglich. Dazu kommen einmalig mindestens 2 Genossenschaftsanteile je 50 EUR, die ich kaufen muss – dafür besitze ich nun den WirGarten mit. Juhu! Mein eigener Bauernhof! Schon allein deshalb schmecken mir die Radieschen zum Abendbrot besonders gut. Aber auch, weil sie wirklich frisch und lecker sind.

Außerdem wird im WirGarten alles organisch ohne synthetische Pestizide und Dünger angebaut, und in unterschiedlichen Sorten, um eine große Vielfalt zu erhalten. Es gibt Blüh- und Gehölzstreifen für Bienen und andere Nützlinge und der Boden wird nur minimal bearbeitet. Hier erfährst du noch mehr über die Prinzipien für regenerativen Gemüsebau: https://lueneburg.wirgarten.com/anbauprinzipien/

Du kannst dein Gemüse direkt vom Feld abholen oder bei diversen über die Stadt verteilten Abholstationen, zu denen die Ernte jede Woche mit einem Elektrotransporter gebracht wird. Auch selbst mit zu arbeiten ist möglich und gern gesehen, außerdem gibt es regelmäßig Gartenführungen oder gemeinsame Essen und jede Woche die „Erntepost“ per Mail.

Mein Fazit: Eine Mitgliedschaft in einer Solawi-Genossenschaft ist ein super Weg, um Gemüse bio, regional und unverpackt einzukaufen – dazu bezahlbar, gut fürs eigene Gewissen, für die Gemeinschaft und fürs Klima. Was will ich mehr? Eigentlich nur, dass diese Form der Landwirtschaft sich schnell noch viel weiter verbreitet, als sie das bisher glücklicherweise schon tut – seit einigen Jahren steigt die Zahl der Initiativen im Bereich der Solidarischen Landwirtschaft stark an. Welche tollen Ideen dazu es auch weltweit gibt, zeigt eindrucksvoll der Film „Tomorrow“. 

Cathrin Claußen

www.cathrinclaussen.de

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